Was macht die Canon Tonwert Priorität?

Canon Tonwert PrioritätMindestens einmal im Jahr habe ich darüber recherchiert, was denn die „Tonwert Priorität“ in einer Canon Kamera wirklich mit dem Bild anstellt. Die Bedienungsanleitung gibt nur wenig Informationen zum Hintergrund und der Funktionsweise der Tonwertpriorität, die alle  Canon EOS seit Jahren besitzen. Im Internet findet man extrem widersprüchliche Aussagen über die Funktionsweise, die sich vollständig widersprechen. Für jeden ambitionierteren Amateur-Fotografen ist es aber unglaublich wichtig zu wissen, was die Kamera im D+ (höhere Dynamik) Modus, also mit aktivierter Tonwert Priorität genau verändert.

Das Canon Handbuch meiner EOS 6D – die ich auch zu diesem Test benutzt habe – sagt Folgendes:

„Sie können überbelichtete Spitzlicht-Bereiche minimieren.“…“ Die Detailschärfe in hellen Bereichen wird verbessert. Der dynamische Bereich wird vom Standardwert von 18 % Grau auf helle Tonwerte erweitert. Die Gradation zwischen den Grautönen und den Lichtern wird weicher.“…“ Bei der Einstellung [Möglich] ist das Bildrauschen u. U. stärker als bei der Einstellung [Nicht möglich].“

Canon versucht hier zu sagen, das hellere Bildbereiche (rechts vom Histogramm) besser aufgezeichnet werden, was ggf. ein stärkeres Bildrauschen zur Folge haben kann. Wann aber die Nachteile zum tragen kommen und wie stark die hellen Bereiche optimiert werden können, ist dabei völlig unklar. Aus Unwissenheit haben wohl die meisten Fotografen diese Option deaktiviert.

Inhalt

Auswirkung auf RAW Bilder

Immer wieder differenzieren Fachkundige die einzelnen Optionen Ihrer Kamera nicht. Einige Optimierungen wirken sich nur auf das Jpeg aus, andere auf Jpeg und RAW. Die Canon Tonwertpriorität wirkt sich – anders wie oft angenommen – direkt auf das RAW aus. Hier werden nicht veränderte Einstellungen im RAW geschrieben, sondern es werden Pixelinformationen aus der Kamera vollkommen anders berechnet. Es ist also ein anderes RAW, mit einer anderen Bildqualität. Offensichtlich wollen viele dies aber nicht wahrhaben, so scheint es zumindest in den Weiten des Internets.

Ein anderer Blogger, den ich sehr gerne lese und sehr schätze, weiß nicht, dass sich die Tonwert Priorität direkt auf das RAW auch in Lightroom auswirkt. Hier zeigt sich, wie Canon hier an einen besseren Informationsfluss arbeiten muss, denn Gunther hat sonst immer Recht und kennt sich sehr gut aus 😉

Technischer Hintergrund

Hier kann nur spekuliert werden. Deshalb möchte ich meine Annahme klar als These deklarieren. Dadurch, dass offensichtlich der Dynamikumfang (Dynamic Range) etwas angehoben werden soll, muss etwas direkt mit dem Bildsensor passieren. Denn eine ausschließliche elektronische Nachbearbeitung ließe sich auch später am Computer in DPP (Canon Digital Professional) machen.

Wenn D+ aktiviert ist, kann ISO 100 nicht mehr verwendet werden. Das könnte daran liegen, dass die Kamera hier sehr helle Bildbereiche mit einer ISO-Stufe weniger versucht zu belichten, sodass z.B. ein Himmel eine Blende dunkler ist, zumindest in den hellen Strukturen. Hier wird z.B. ISO 100 anstatt die eingestellten ISO 200 angewendet. Also gehen wir mal von einer partiellen Unterbelichtung durch reduzierter ISO aus. Was aber passiert zugleich mit den restlichen Bildbereichen, insbesondere den dunkleren Bereichen?

Canon schreibt ja, dass unter Umständen ein stärkeres Bildrauschen auftreten kann. Nun, wenn der Rest des Bildes mit der eingestellten ISO belichtet wird und nur die hellen Bildbereiche unterbelichtet werden, so würde die ISO doch sonst nicht verändert werden. Und genau an diesem Punkt kann man nur noch spekulieren. Mir fällt zumindest hierfür keine logische Erklärung ein, was dort genau passiert. Evtl. liegt es an der unterschiedlichen „Befeuerung“ des Bildsensors mit unterschiedlichen ISOs (Spannungen), was zu einem insgesamt höheren Bildrauschen führen kann. Das ist aber nur eine Vermutung.

Nachtrag:
Wie ich bereits angedeutet habe, passiert im Hintergrund mehr als die meisten vermuten. In Fachforen darüber zu diskutieren ist sehr müssig, da die Ansicht zu diesem Thema meist falsch und unvollständig ist und viele es nicht verstehen wollen, dass dort eben mehr passiert, als eine lediglich ISO-Unterbelichtung um eine Blende und eine partielle Aufhellung. Außerdem verhalten sich neuere Canon DSLRs wesentlich optimaler als ältere.

Ich habe zwischenzeitlich mit dem Canon Professional Service telefoniert und dort wurde mir schlüssig Auskunft über die Tonwertpriorität gegeben. Zunächst wird nicht immer eine Blende mehr in den Höhen hinzugefügt. Vielmehr wird je nach Anwendungsfall ⅓ bis 1 Blende an Zeichnung in den hellen Bereichen gewonnen.

Außerdem werden – und diese Erkenntnis konnte ich sonst nirgends lesen – die Farbkanäle unterschiedlich behandelt. Rot und Blau werden anders als Grün behandelt. Soweit ich das verstanden habe, ist Grün eher empfindlicher für die hellen Bereiche, sodass Grüntöne in den Höhen gepusht werden. In den dunkleren leicht stärker verrauschten Bildbereichen werden überwiegend Rot- und Blautöne verwendet, wodurch das Rauschen eher wie ein Farbrauschen wirkt, also sehr blau- und rotlastig ist, da in den Tiefen Grüntöne fehlen. Dieses Farbrauschen kann aber einfach per Software behoben werden. Ein kleiner Test hat gezeigt, das Lightroom das Farbrauschen nicht besonders gut entfernen kann, da es von gleichen RGB-Werten ausgeht. So wirken die Tiefen noch immer blau- und rotlastig. Canon Digital Photo Professional arbeitet hier sehr viel besser, weil es die RAWs natürlich besser kennt, auch die D+ RAWs.

Ist die Tonwert Priorität in der Praxis nützlich?

Going Home...

Gegenlicht

Durchaus! Insbesondere dann, wenn man Bilder mit einer hohen Dynamik aufnehmen möchte. Dies ist z.B. bei Landschaften mit dunklen Wäldern und hellem Himmel der Fall. Hier neigen die meisten Kameras, insbesondere die Canon EOS 6D schnell zu einer helleren Belichtung, sodass der Himmel oft ausgebrannt ist. Häufig unterbelichte ich deshalb die Bilder mit der 6D um ⅔ Blenden, sodass ich in Lightroom noch alle Bildinformationen verfügbar habe. Genau hier kann aber auch D+ wirklich weiter helfen, denn man erhält in etwa 1 Blende mehr in den hellen Bereichen. Wenn man dazu noch die 6D etwa ⅓ unterbelichtet, kann man am rechten Histogramm locker eine Blende mehr erreichen, denn dunklere Bildbereiche lassen sich eher aufhellen.

Hier ein Beispiel aus Lightroom, wie groß der Unterschied in den helleren Bereichen ist, welches man anhand des Clippings sehen kann. Ein Stück gutes Küchenpapier bietet eine hervorragende Testbasis 😉

Immer dann, wenn der Kontrast zu hoch ist, kann man durchaus die Tonwertpriorität aktivieren. Zugleich sollte man aber auch darauf achten, dass man diese nicht bei zu hoher ISO nutzt, sodass dadurch das Bildrauschen unnötig erhöht wird, bzw. nur dann nutzt, wenn man sie auch wirklich braucht.

Meiner Meinung nach überwiegen bei Landschaften und Architektur durchaus die Vorteile von D+, weshalb ich es wohl zukünftig in diesen Bereichen aktivieren werde. Die Canon EOS 6D hat einen Dynamikumfang von etwa 12 Blenden, wenn hier etwa eine hinzukommt, wäre das eine Annäherung an aktuelle Nikon DSLRs. Denn die D610 oder D810 decken etwa 14 Blenden ab. Das ist in der Praxis ein unglaublicher Unterschied in der späteren Bildbearbeitung, insbesondere beim Aufhellen dunkler Partien.

Dynamik bei unterschiedlichen ISOs

Immer wieder zeigen Testberichte, dass Kameras nicht bei ISO 100 oder 200 den höchsten Dynamikumfang des Bildsensors nutzen. Bei der Canon 6D soll die optimale ISO hier bei 400 oder 1600 liegen, wenn man das Bildrauschen mal außer Acht lässt. Auch hier habe ich mal versucht Vergleiche zu produzieren. Mit etwas Verdutzung konnte ich ähnliches feststellen. Das gilt für den D+ Modus und für den normalen Modus.

Die folgende Testreihe zeigt wie stark das Clipping bei den unterschiedlichen ISOs ausfällt.  Verwendet habe ich ISO 200, 400, 800 und 1.600, was wohl relativ praxisrelevant sein dürfte. Die Belichtung bleibt immer gleich. Zunächst ohne D+:

Hier zeigt sich wirklich, dass bei ISO 800 und 1.600 die Dynamik am höchsten ist.

Mit D+:

Bei der Tonwertpriorität ist der Unterschied zwar auch vorhanden, aber er zeigt keine extremen Auswirkungen mehr. Man kann aber deutlich erkennen, welchen Vorteil D+ bei RAW Bildern in den hellen Bereichen hat.

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Wie negativ ist das erhöhte Bildrauschen bei D+?

Das kommt auf den Verwendungszweck an. in der Regel stört das leicht höhere Bildrauschen an ISO starken DSLRs, wie der Canon 6D kaum. Außerdem muss man berücksichtigen, dass bei gleicher Helligkeitsbelichtung ohne D+ die Belichtung um 1 Blende reduzieren muss. Um das gleiche Bildergebnis wie mit aktivierter Tonwert Priorität zu erhalten, muss mann die dunklen Bildbereiche später wieder um eine Blende aufhellen und gerade dieser Vorgang ist bei Canon nicht so berühmt. Deshalb ist die Tonwert Priorität bei kontrastreichen Bildern ein absolut sinnvoller Modus, den man aktivieren sollte, zumindest meiner Meinung nach.

Nachfolgend gibt es noch einige Crops die aufgehellt sind, sodass man den Unterschied des Bildrausches in der Tasse gut beurteilen kann. Links ohne D+, rechts mit D+:

ISO 200

ISO 400

ISO 800

ISO 1.600

Besonders bei ISO 200 kann man einen Unterschied sehen. Ab ISO 800 relativiert sich das Rauschen wieder und wir wissen, wie wenig die Canon 6D bei iSO 800 rauscht 😉

Und um das Mehr an Rausch zu relativieren, habe ich bei gleicher Blende und Belichtungszeit noch zwei Crops, damit man sehen kann, dass es in der Praxis quasi keinen Nachteil gibt. Das erste Bild ist ohne D+ bei ISO 400 aufgenommen und auf die Belichtung des zweiten Bildes angeglichen (+1 Blende), welches mit D+ und ISO 800 aufgenommen wurde:

Benutzt du bereits die Tonwertpriorität oder wusstest du bisher nicht, was es genau mit deinen Bilder macht?

Im nächsten Teil geht es um die Canon Belichtungsoptimierung und Rauschreduzierung.

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24 Gedanken zu „Was macht die Canon Tonwert Priorität?

  1. Pingback: Canon 6D Review – Teil 2 – das Menü und meine Empfehlungen für Grundeinstellungen | gwegner.de

  2. „Canon versucht hier zu sagen, das hellere Bildbereiche (rechts vom Histogramm) besser aufzeichnet werden“

    Nein, „besser“ aufgezeichnet wird da nichts, nur anders verarbeitet (Stichwort Gradationskurve).

  3. Pingback: Buchtipp: Canon EOS 1200D: Das Handbuch zur Kamera von Dietmar Spehr | Fotoblog web-done.de

  4. Pingback: Canon Belichtungsoptimierung und Rauschreduzierung | Fotoblog web-done.de

    • Eine wirklich sehr gute Frage und die Antwort ist: JA!

      Ich werde demnächst mal einige Test diesbezüglich machen. Was ich aber gerade gesehen habe, ist dass das etwas mehr an Rauschen im Video auch etwas mehr auffällt.

      Gruß
      Alex

  5. Danke vielmals für Deine Erklärung, die ich erst jetzt gelesen habe. Denn irgendwie hatte ich bei der 5DsR diese Funktion D+ eingeschaltet und auf einmal ging selbst im Modus M kein ISO-Wert unter 200 mehr.
    Nun mag es ja schön sein, dass Canon so durch diese Funktion direkt die RAWs bearbeitet und verbessert. Mir persönlich sind allerdings Bearbeitungen, die ich selber vorgenommen habe und die ich somit auch wieder selbst rückgängig machen kann, viel lieber. Daher habe ich diese Funktion nur noch auf der Custom-C1 liegen.
    Im Prinzip sagt der Heise-Artikel auch nichts anderes aus, nur, es fehlen Beispiele, die ich hier bei Dir finde.
    Auf jeden Fall habe ich wieder was dazu gelernt, danke!

    • Ich habe es nach kurzer Zeit auch nicht mehr benutzt. Wenn ich mehr Dynamik brauche, dann hilft mir fast immer eine Belichtungsreihe weiter. Dank LR und HDR kann ich so in viele Situationen das Optimum rausholen…

  6. Hallo Alex.

    Ich finde Deinen Bericht spannend und mit guten Beispielen versehen. Dass Du inzwischen Belichtungsreihen verwendest, ist verständlich. Ich selber korrigiere die Belichtung bei Spitzlichtern und zu dunklen Schatten per Korrektureinstellung, je nach Fall um bis zu +/- 2 LW. Letztere beiden scheinen die besten Lösungen zu sein, eine einschränkende Massnahme mit negativen Folgen wie D+ ist jedenfalls keine gute Lösung für mich, weshalb ich seit den ersten Versuchen davon abgesehen habe.
    Gruss, Daniel

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